Cimbern-Jahresfahrt 2014 in die VII Gemeinden

Große Reisegruppe des Cimbern-Kuratoriums zeigte sich begeistert von der Sprache und Kultur der zimbrischen Sieben Gemeinden

Die Jahresfahrt 2014 des Cimbern-Kuratoriums zu den deutschen Sprachinseln Roana, Asiago und Lusérn begeisterte die 62 Teilnehmer aus München, Nürnberg, Landshut und Velden mit einem abwechslungsreichen Programm. Neben Besichtigungen architektonischer Meisterwerke, Begegnungen mit zimbrischen Freunden, ihrer Geschichte, Kultur und Sprache blieb ausreichend Raum für das stille Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges – und den Mitbegründer des Kuratoriums Hugo Resch, dessen Todestag sich zum zwanzigsten Mal jährte.

Text und Fotos: Heike Arnold

Cimbernfahrt 2014 - Film von Dr. Jupp Schult

Mit einem bis auf den letzten Platz gefüllten Reisebus und einem zusätzlich eingesetzten Kleinbus startete die Cimbernfahrt 2014 am Tag der Deutschen Einheit in Richtung Roana/Robàan, der Partnerstadt der niederbayerischen Gemeinde Velden. Nach einem ausgezeichneten Mittagessen, das traditionell in S. Michele all’Adige eingenommen wurde, führte der erste Weg zum Hugo-Resch-Denkmal, das im vergangenen Jahr am Cimbernmuseum „Haus dar Simbarn Bissekot“ in Roana eingeweiht worden war. Dort gedachte man dem - unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten – Landshuter Sprachforscher, der sich über Jahrzehnte hinweg um Land, Leute und Sprache der Cimbern bemüht hat und „für immer in den Herzen der Cimbern“ geblieben ist.
     Gefühlvoll betonten Valentino Frigo, Roana’s Bürgermeister und Prof. Sergio Bonato, Vorsitzender des Cimbernkuratoriums der Sieben Gemeinden, wie wichtig und bedeutsam die Arbeit Resch‘s war und auch heute noch ist. Nach der Niederlegung eines Blumengrußes am Denkmal verwies Jakob Oßner als Vorsitzender des Kuratoriums auf eine der wertvollsten Hinterlassenschaften des Cimbernfreundes – das cimbrisch-deutsche Gesamtwörterbuch, das im Original 300 Aktenordner umfasst. Er bedankte sich in diesem Zusammenhang bei der mitgereisten Münchenerin Ruth Rosner, die dem Kuratorium aus ihrem Stiftungsvermögen 20.000 Euro für die Entwicklung einer Online-Version des Wörterbuches zur Verfügung gestellt hat – eine Zuwendung, ohne die dieses Vorhaben hätte nicht realisiert werden können. Ein Grußwort von Landrat Peter Dreier wurde vom langjährigen Vorsitzenden des Kuratoriums und jetzigen Ehrenvorsitzenden Josef Seidl verlesen; von Nina Geiselbrechtinger, Tochter des ehemaligen Landrats Hans Geiselbrechtinger, wurde es ins Italienische übersetzt.

Reich an Kultur und sicher im Geschmack.

In Begleitung der Übersetzerin und Kommunikationsexpertin Anna Balasso ging es am Samstagvormittag zur Villa Barbaro, nach ihrem Standort auch bekannt als Villa Maser.      
     Geplant und gebaut wurde die Villa in der Zeit von 1554 - 1558. Sie gilt als Musterbeispiel eines palladianischen Landhauses, so genannt nach dem ital. Architekten Andrea Palladio. Die Villa Barbaro ist Teil des UNESCO-WELTERBES und befindet sich in Privatbesitz. Das architektonische Meisterwerk wird auf Wikipedia so beschrieben: Im Konzept der Villa Maser (…) sind auf vorbildliche Weise beide Aufgaben einer damaligen Villa vereinigt: Die Nutzung als repräsentativer Ort des Vergnügens und der Erholung für die Auftraggeber und deren Gäste als auch eine „Villa rustica“, ein durchdachtes, möglichst wirtschaftlich organisiertes Zentrum für eine ertragreiche Nutzung des Landgutes. (…). Dem entspricht die Öffnung der Villa zur Natur durch die Arkaden der Seitenflügel. Die bildhauerische Ausschmückung erfolgte durch Alessandro Vittoria.
     In ihrem Inneren, das nur mit übergroßen Filzpantoffeln betreten werden darf, überrascht die Villa mit perfekter Illusionsmalerei von Paolo Veronese. Die Kunst dieser Malerei, auch „Die Illusion der Realität“ genannt, besteht in einer „Täuschung des Auges“, die „Draußen und Drinnen“  scheinbar eins werden lässt. So spürt man im südöstlich gelegenen Raum Stanza del Tribunale d’Amore, dem Zimmer der ehelichen Liebe, förmlich den raschen Atem der jungen Ehefrau, die zwischen ihrem Ehemann und ihrem Anwalt vor dem Richter kniet. Spontan möchte man ihr durch die in Scheinarchitektur gemalten Säulen und Nischen nähertreten und lauschen, was sie zu ihrer Verteidigung zu sagen hat.
       Für einige Minuten der Illusion verfallen, brach die Reisegruppe in die an Sehenswertem reiche Stadt „Bassano del Grappa“ (cimbrisch: Bassan) auf. Ihren Namen verdankt die Stadt nicht, wie man meinen könnte, dem bekannten Tresterbrand, sondern dem benachbarten Berg Monte Grappa, der im Ersten Weltkrieg Schauplatz schwerer Kämpfe war. Auch in Bassano begegnet man wieder dem Architekten Palladio. Nach seinem Entwurf entstand im 13. Jahrhundert die berühmte Holzbrücke Ponte degli Alpini über die Brenta.
     Nicht ohne einen Abstecher in das Grappa-Museum zu machen und eine Verkostung der edlen Spirituosen vorzunehmen, folgte am späten Nachmittag der Besuch der Villa Angarano in Bassano. Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein 1548 von Palladio entworfenes Herrenhaus, von dem jedoch lediglich die Flügelbauten nach den Plänen des berühmten Architekten gebaut wurden. Das Gebäude wurde 1996 von der UNESCO mit anderen Villen Palladios zum Weltkulturerbe erklärt.
     Mit großer Begeisterung für die äußere Schönheit des Gebäudes und den jahrhundertealten Baumbestand im Park der Villa, ließ sich die Reisegruppe bereitwillig im ehemaligen Stall des Gutes nieder – einem aufwändig mit edlen Holzboxen ausgestattetem Raum, den sich rassige Zuchthengste mit einer edlen Pferdedame teilten. Bei bestem Wein und bestem Käse konnte über Gott und die Welt philosophiert und nach Herzenslust fotografiert werden.

"Wir leben alle unter dem gleichen Himmel,
aber nicht alle haben den gleichen Horizont“
(Konrad Adenauer)

Reich an Impressionen und beeindruckt vom guten Geschmack der Italiener kehrte die Reisegruppe am Abend ins Albergo alla Vecchia Stazione zurück. Dort sollte sie – gemeinsam mit geladenen Gästen - einen unvergesslichen „cimbrischen Abend“ erleben.
     Dass dieser Abend, zu dem auch der Veldener Bürgermeister Ludwig Greimel mit Gattin Susanne sowie der Geschäftsführer des Marktes Velden, Thomas Schratzenstaller, angereist waren, ein solch großer Erfolg wurde, ist vor allem Nina und Hans Geiselbrechtinger zu verdanken. Sie hatten über ihre privaten Kontakte die „Gruppo Folk“, das „Duo Vellar“ und den Corale Cimbra als hervorragende Repräsentanten der cimbrischen Kultur für die Gestaltung des Abends gewinnen können. Bis in die frühen Morgenstunden wurde gemeinsam getanzt, gesungen und gelacht, viele neue Freundschaften wurden begründet und alte Beziehungen erneut aufgefrischt – ein herzlicher, friedlicher Abend ganz im Sinne der gelebten Partnerschaft im vereinten Europa.

Berührende Stimmen.
Bewegende Worte.
Zeichen des Friedens.

Am Sonntagvormittag, dem Tag der Hl. Giustina, standen der Besuch des katholischen Gottesdienstes in der Kirche von Roana und die Besichtigung des „Forte Interotto“ zur Wahl. Während ein Teil der Reiseteilnehmer am Fort den Gefallenen des Ersten Weltkrieges gedachten, ließ sich der andere Teil von wunderbaren Chorstimmen „ergreifen“. Dem anschließenden Mittagessen im bekannten und beliebten Ristorante von Francesco Rebeschini folgte der Besuch einer Käserei und die Besichtigung des Mausoleums von Asiago.
     Begleitet von Gianluca Rodighiero, einem der jüngsten italienischen Mitglieder des Kuratoriums, fand am späten Nachmittag im beeindruckenden Sitzungssaal des Rathauses von Asiago ein Empfang  statt.  Der noch sehr junge Stadtrat Franco Nella und der ebenfalls erst knapp vierzigjährige Bürgermeister Roberto Rigoni Stern machten ihre Sache mit Hilfe der Übersetzer ausgesprochen gut. Beide zeigten sich engagiert und bestens über die langjährigen Verbindungen zwischen dem Cimbern Kuratorium und der Kommune Asiago informiert. Mit dem mitgebrachten Veldener Volksfestbier im Fass und weiteren regionalen Produkten aus Bayern machte das Kuratorium den Vertretern der Stadt eine große Freude. Umgekehrt freute man sich im Kuratorium über die Zeichen der Freundschaft, die vom Bürgermeister Asiago’s überreicht wurden. Nach einem langen, sehr interessanten Tag wurde bis spät in die Nacht über die zahlreichen Erlebnisse sowie das Programm des nächsten und letzten Reisetages gesprochen – den Besuch der 300-Seelen-Gemeinde Lusérn.

"Wir sind die Letzten, aber kein Museum!"

So lautet der Titel einer Geschichte von Helmut Luther im Reiseblatt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. Mai 2014 – ein lesenswerter Beitrag, in dem die Rede ist von der uralten Sprache und Kultur der Zimbern und dem Tourismus, der das Überleben des Zimbrischen ermöglichen soll.
     Ein „Example par excellence“, was die Erreichung dieses Zieles betrifft, ist der kleine Ort Lusérn in der Region Trentino-Südtirol. Mit einem Dokumentationszentrum, in dem jährlich beeindruckende Ausstellungen zu diversen historischen Themen der Region gezeigt werden, einem mit modernster Technik ausgestatteten Kulturinstitut, dem kleinen Haus von Prükk, in dem man in die Welt der Bewohner von anno dazumal eintauchen kann und mit einer kleinen, aber feinen Pinakothek hat sich das kleine Höhendorf Lusérn zu einem beliebten Touristenort entwickelt. Allein im letzten Jahr besuchten rund 12.000 Besucher das Dokumentationszentrum, darunter auch viele Schulklassen. Mit zahlreichen Publikationen, meist dreisprachig in zimbrisch-italienisch-deutsch, trägt das Dokumentationszentrum sehr zur Bekanntheit der deutschen Sprachinseln in Italien bei.
     Zu verdanken hat Lusérn die positive Entwicklung dem ehemaligen Bürgermeister Luigi Nicolussi-Castellan, der zwanzig Jahre lang in München gearbeitet hat und neben Zimbrisch und Italienisch auch ein sehr gutes tedesco beherrscht. Und zudem die Kunst, seine Zuhörer durch lebendige Erzählkunst rasch in seinen Bann zu ziehen. Doch Nicolussi-Castellan ist nicht nur ein meisterhafter Kommunikator, sondern auch ein versierter Finanzierungsmanager. Dank seiner Hartnäckigkeit und seinem festen Willen, die Sprache und Kultur seiner urbayerischen Vorfahren zu bewahren, hat er dafür gesorgt, dass Lusérn als Sprachinsel anerkannt und mit EU-Mitteln gefördert wurde. Durchaus zunächst gegen einigen Widerstand in der Bevölkerung konnten damit die genannten Projekte realisiert werden. Mit Erfolg, wie der Mittsiebziger auf charmante Art berichtet. Der Wegzug der Familien aus dem Dorf konnte gestoppt und sogar einige Arbeitsplätze für Frauen geschaffen werden – eine Entwicklung, die „nicht der Einhaltung einer Frauenquote geschuldet ist“ wie der Alt-Bürgermeister sagt, sondern „dem Respekt vor den Frauen, die eine wichtigere Rolle für die Gesellschaft spielen als die Männer und deshalb ganz selbstverständlich ein Recht auf Arbeit und finanzielle Unabhängigkeit haben.“

Das Fazit der Reise:
Die deutsch-italienische Freundschaft ist keine Illusion

Und sie wird weiterleben, wenn – wie auf der Cimbernfahrt 2014 – vom bayerischen Cimbern-Kuratorium immer wieder neue Mitglieder gewonnen werden, die sich für den Erhalt der zimbrischen Sprache und Kultur begeistern.
     Zu dieser Begeisterung tragen seit Jahren sowohl auf den Reisen des Kuratoriums als auch auf den diversen Veranstaltungen renommierte Sprachwissenschaftler und Historiker bei wie z. B. Prof. Dr. Heydenreuter, Prof. Dr. Anthony Rowley und Dr. Remigius Geiser – wertvolle Verbindungen, die von früheren Vorständen des Kuratoriums geknüpft und über viele Jahre hinweg gehegt und gepflegt werden. Die neue Vorstandschaft unter dem Vorsitz von Jakob Oßner, dem ehemaligen 2. Bürgermeister und Partnerschaftsbeauftragen von Velden will es ihren Vorgängern gleich tun:     „Meine Vorstandskollegen, unsere Beisitzer und ich werden ihr Bestes geben, um die wichtige Arbeit des bayerischen Cimbern-Kuratoriums im Sinne der Gründer, Förderer und Mitglieder mit Erfolg fortzuführen“, versprach Jakob Oßner. „In Zeiten der Digitalisierung wollen wir neben der persönlichen Beziehungspflege, die durch nichts zu ersetzen ist, zunehmend die neuen Medien zur Archivierung des umfangreichen Wissensschatzes über die Cimbern und den Dialog mit unseren cimbrischen Freunden nutzen.“ So wird Ende des Jahres die komplett überarbeitete Homepage des Kuratoriums freigeschaltet, in die u. a. das cimbrische Wörterbuch von Hugo Resch in einer Online-Version, aber auch sein umfangreiches Ton-Archiv und eine Fülle interessanter Quellen integriert ist. Zu gegebener Zeit wird über die neue Homepage ausführlich berichtet.

REISEPROGRAMM UND BILDER

Anreisetag über S. Michele nach Roana (03.06.14)

03.10.2014 (Anreisetag)

6.00 Uhr Abfahrt Velden, Güterhalle a. früheren Bahnhof;
6.30 Uhr Abfahrt Landshut, Grieserwiese;
7.45 Uhr Abfahrt München, Ostbahnhof, Orleanstr.;
9.00 Uhr kleines Frühstück (Verpflegung auf Rastplatz)
12.00 Uhr Mittagessen bei Fam. Zeni, San Michele;
ca. 14.15 Uhr Weiterfahrt nach Roana, Empfang durch Gemeinde, Gedenkakt am Hugo-Resch-Denkmal, Besuch des Cimbernmuseums „Haus dar Simbarn Bissekot“
18.30 Abfahrt nach Canove, dort
Einquartierung im Hotel "Albergo alla Vecchia Stazione", 3 Übernachtungen mit Halbpension.
19.30 Abendessen im Hotel

Samstag, 04.10.14, 2. Reisetag

Samstag, 04.10.14

8.30 Abfahrt nach Masér
10.00 - 12.00 Besichtigung Villa Barbaro.
12.30 - 13.30 Freies Mittagessen in Bassano.
13.30 - 15.00 Stadtführung (Zentrum, Brücke, Kirchen ...)
15.15 - 17.30 Besichtigung der Villa Angarano mit Weinprobe
ca. 17.30 Rückfahrt nach Canove
20.00 Abendessen und geselliges Beisammensein
mit unseren cimbrischen Freunden aus Roana: Auftritt von Corale Cimbra, Gruppo Folk und Trio Vellar.

Sonntag, 05.10.14, 3. Reisetag

Sonntag, 05.10.2014

9.30 Abfahrt nach Roana
10.30 Möglichkeit (Option) zum Besuch der Hl. Messe in Roana u. a. mit dem "Corale Cimbra"
Alternativ:Ausflug zum Monte Verena
12.00 Mittagessen bei Familie Rebeschini - Albergo All'Amicizia.
14.00 Abfahrt nach Asiago
14.15 - 18.30 Stadtbesichtigung Asiago mit Führung durch die Stadtverwaltung in Begleitung unseres Kuratoriumsmitgliedes Gianluca Rodighiero.
ab 19.30 Uhr Abendessen im Hotel.

Montag, 06.10.14, 3. Rückreise

Montag, 06.10.2014

9.30 Abfahrt nach Lusern.
10.15 - 12.30 Führung mit Luigi Nicolussi Castellan. Besichtigung der WK1-Ausstellung-Grande-Guerra im Museum, Besuch Dokumentationszentrum, Möglichkeit der Besichtigung der Festung "Forte Lusern".
13.00 - 15.00 Mittagessen in Lusern.
Ca. 15.15 Uhr Heimfahrt über München und Landshut nach Velden.